Diên Hông e.V. ist heute ein Verein, der vielfältige Angebote für die unterschiedlichsten Menschen bereithält. Sowohl durch seine Entstehungsgeschichte und seine Mitglieder als auch durch Teile seiner Projektarbeit bleibt er fest verbunden mit der vietdeutschen Community und mit Erfahrungen der Zuwanderung aus Vietnam nach Deutschland. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über die Schwerpunkte, denen sich der Verein im Laufe der Jahre gewidmet hat, und erfahren, welche Angebote heute in diesem Feld bestehen.
Migration und Postmigration: Ausstellung mit persönlichen Einblicken
Um die Geschichte dieser Community – auch abseits der Jahrestage des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992 – sichtbar zu machen und ihre Erfahrungen festzuhalten, wurde in den Jahren 2012 bis 2014 die Idee einer Ausstellung umgesetzt. Unter dem Titel „Lebenswege. Vietnamesische Rostocker*innen erzählen“ kann sie ausgeliehen werden.
Mit Erinnerungen aus ca. 30 Jahren, gesammelt in Gesprächen, und illustriert durch Fotografien und andere Zeitdokumente, geht die Ausstellung u.a. folgenden Fragen nach:
- Wie war die Lebenssituation der späteren Vertragsarbeitnehmer*innen in Vietnam?
- Welche Vorstellungen hatten sie von der DDR und den Deutschen?
- Wie erlebten sie die Wendezeit, als plötzlich alles ungewiss war?
- Warum entschieden sie sich, hier zu bleiben, und wie sehen sie ihre Perspektive jetzt?
Die Zitate und Bilder zeugen sowohl von den Höhepunkten als auch den Schwierigkeiten eines Lebens in einem (nicht mehr) fremden Land, die viele der Rostocker*innen, die aus Vietnam gekommen sind, erlebt haben. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen dabei nicht geschichtliche Daten und Fakten, sondern die subjektive Seite, das Erleben und die Erfahrungen der Menschen.
Einer grafischen Überarbeitung und dem Neudruck im Jahr 2023 soll in den nächsten Jahren eine inhaltliche Erweiterung folgen, bei der bspw. die Perspektiven der zweiten Generation in den Fokus rücken. Fragestellungen der Postmigration stehen dabei im Mittelpunkt, z.B. die nach der Identität junger Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, in zwei Kulturen erzogen wurden und von vielen Menschen als Vietnames*innen gelesen werden.
Foto: Diên Hông e.V.
Heutige Zuwanderung - jungen Fachkräften das Ankommen erleichtern
Seit 2018 unterstützt der Verein die Universitätsmedizin Rostock bei der Integration von vietnamesischen Auszubildenden. Sie kommen nach Rostock, um eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu absolvieren und später hier in diesem Beruf zu arbeiten. Dies erfolgte in den Jahren 2018 bis 2024 in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) GmbH. Die Auszubildenden finden seit 2018 bei Diên Hông e.V. verschiedene Seminarangebote, um einerseits ihre sprachlichen Kompetenzen zu verbessern und andererseits wichtiges Wissen für den Alltag in Deutschland zu erwerben. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit für Austausch und persönliche Gespräche, die dabei helfen, beruflichen und persönliche Herausforderungen zu bewältigen. Vermittelt durch den Verein kommen die Azubi in den Kontakt zur vietnamesischen Community, werden zu vietnamesischen Festen eingeladen und können ihre Kultur pflegen.
Vietdeutsche Lebenswege - Dialog zwischen den Generationen
Das Projekt „Vietdeutsche Lebenswege: Erfahrungen und Perspektiven aus zwei Generationen“ (01.03.2023 – 31.03.2024), gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung, widmete sich erneut diesem Anliegen. Das Projekt sollte die Erfahrungen in der Migration und Postmigration aus den letzten 40 Jahren am Beispiel der viet-deutschen Community Rostocks und Mecklenburg-Vorpommerns erarbeiten, reflektieren und sichtbar machen.
Menschen mit vietnamesischen Wurzeln bekamen dabei die Chance, sich an einem generationenübergreifenden Austausch zu beteiligen, andere Perspektiven kennenzulernen und gemeinsam wichtigen Fragen nach Identität, Ausgrenzung und Zugehörigkeit auf den Grund zu gehen. Das Besondere an diesem Projekt: Nicht nur die Perspektive der vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen stand im Mittelpunkt, sondern auch die ihrer Kinder. Im Projekt entstand eine Innenansicht von der vietdeutschen Community Mecklenburg-Vorpommers, die Erfahrungen mit Migration und Postmigration der letzten 40 Jahren zeigt. Das Hauptaugenmerk lag einerseits auf dem Weg der Vietdeutschen zu Teilhabe sowie Integration und andererseits auf deren Herausforderungen hinsichtlich Identität sowie und Umgang mit Alltagsrassismus. Der initiierte intergenerative Austausch soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden.
Bildungsmaterial auf der Basis vietdeutscher Erfahrungen
Die Erfahrungen beider Generationen sind in vielfältiger Form anschaulich festgehalten, aufgearbeitet und stehen nun auf der Website https://bildung-lebenswege.de für die Nutzung in schulischen und außerschulischen Bildungsveranstaltungen bereit. Zudem sind auch Anregungen für die Nutzung der Materialien sowie weitere Informationen zum Projekt aufgeführt.
Folgende Produkte sind entstanden und stehen kostenlos zum Ausleihen oder Herunterladen zur Verfügung:
Multimediabeiträge:
- Kurzfilm „Aus der Ferne“
- Audiobeiträge zur Perspektive der zweiten Generation sowie zum Austausch zwischen den Generationen
Ausstellung:
- „Lebenswege – Vietnamesische Rostocker*innen erzählen“
Unterrichtsmaterialien:
- „LebensLinien“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt, Biografien und Flusskarten)
Die Lernenden erarbeiten sich anhand von sechs Biografien die Lebenserfahrungen der ersten und zweiten Generation der vietdeutschen Community. Dabei werden die Lebensläufe als Flüsse visualisiert und in Form von aufeinanderfolgenden Flussabschnitten bildlich dargestellt. Anhand der Lebensläufe setzen sie sich mit Aspekten wie Rassismus und Alltagsrassismus, Beziehungen zwischen den Generationen, der Bedeutung von Bildung und den Erwartungshaltungen einer Migrant*innengruppe auseinander.
- „LebensFragen“ (bestehend aus Handreichung, Aufgabenblatt und Beobachtungsbogen)
In Rollenspielen oder beim Schreiben eines Drehbuchs veranschaulichen die Schüler*innen die Lebenswelten, Rollenerwartungen und alltäglichen Herausforderungen in Familien mit Migrationshintergrund.
- „LebensAufgaben“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt und Broschüre)
Im Mittelpunkt steht bei diesem Material die Frage, wie Integration erfolgreich gestaltet werden kann. Grundlage dafür bilden die Erfahrungen der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam, z.B. ihre Gründe, sich für diesen Weg zu entscheiden, und die Art, wie sie auf ihre Arbeit und ihr Leben in der DDR vorbereitet wurden. Das Arbeitsmaterial schlägt den Bogen in die heutige Zeit, indem die Lernenden sich mit dem heutigen Anwerbungsprozess von ausländischen Arbeitskräften beschäftigen.
- „LebensIdentitäten“ (bestehend aus Handreichung und Arbeitsblatt)
Die Schüler*innen bzw. Teilnehmer*innen lernen das Konzept von Identität und Identitätszuschreibung kennen. Sie reflektieren die Auswirkung von Identitätszuschreibungen auf das Leben und die Persönlichkeit der Betroffenen. Zudem machen sie sich die Bedeutung der Begriffe Heimat und Identität aus ihrer eigenen Perspektive und vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen bewusst.
- Biografiekarten (je 3 Biografien der ersten und zweiten Generation)
- Begriffskarten (Spielkartensatz mit zentralen Begriffen und Hintergrundinformationen)
- Glossar (mit zentralen Begriffen und Hintergrundinformationen)
Hier geht es zu den Materialien: https://bildung-lebenswege.de
Foto: Diên Hông e.V.
Sichtbarkeit und Austausch statt Stereotypen
Unter vielen Deutschen gelten Vietnames*innen als gut integriert, strebsam und fleißig und somit als Vorzeigebeispiel für „gute Migrant*innen“. Dieses stereotype Bild lässt jedoch viele ihrer Erfahrungen, geprägt von immensen Herausforderungen, wie Arbeitslosigkeit, der Angst vor Abschiebung und rassistischen Übergriffen, aber auch von Durchhaltewillen sowie Hoffnung auf ein besseres Leben für die eigenen Kinder, unbeachtet. Die jüngeren Generationen sehen sich mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert, wenn sie im Alltag immer wieder vor Fragen von Zugehörigkeit und Identität stehen.
Der Verein Diên Hông e.V. möchte Menschen mit eigener Zuwanderungsgeschichte und den nachfolgenden Generationen eine Stimme geben, positive Beispiele von Migration in die Bildungsarbeit und in den öffentlichen Diskurs einbringen und damit Chancen und Potentiale von Migration sichtbar machen. Es lohnt sich, sich intensiv mit der Zuwanderung aus Vietnam nach Deutschland und den dazugehörenden postmigrantischen Aspekten zu befassen, um aus den jahrzehntelangen Erfahrungen zu lernen.