Diên Hông e.V. ist heute ein Verein, der vielfältige Angebote für die unterschiedlichsten Menschen bereithält. Sowohl durch seine Entstehungsgeschichte und seine Mitglieder als auch durch Teile seiner Projektarbeit bleibt er fest verbunden mit der vietdeutschen Community und mit Erfahrungen der Zuwanderung aus Vietnam nach Deutschland. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über die Schwerpunkte, denen sich der Verein im Laufe der Jahre gewidmet hat, und erfahren, welche Angebote heute in diesem Feld bestehen.
Vertragsarbeit - Grundlage für die Entstehung einer vietnamesischen Community in Rostock
In den späten 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen auf der Basis eines staatlichen Abkommens zwischen der DDR und Vietnam zahlreiche Vietnames*innen als Vertragsarbeiterinnen in die DDR. 1989 lebten und arbeiteten rund 60.000 Frauen und Männer aus Vietnam hier. Mit dem Zusammenbruch der DDR kamen schwierige Lebensumstände, geprägt von Arbeitslosigkeit, der Angst vor Abschiebung und zahlreichen rassistischen Übergriffen – bis hin zum Pogrom von Rostock-Lichtenhagen – auf sie zu. Trotz der großen Herausforderungen waren viele ehemalige Vertragsarbeiter*innen entschlossen, in Deutschland zu bleiben und für sich sowie ihre Kinder ein neues, besseres Leben aufzubauen. Seit der Gründung von Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e.V. im Jahr 1992 – nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen – befasst sich der Verein mit dem vietnamesischen Leben in Mecklenburg-Vorpommern und steht im Kontakt v.a. zur Rostocker vietdeutschen Community sowie mittlerweile zu Vertreter*innen der zweiten Generation in verschiedenen Bundesländern. Der Verein ist aus einer Idee mutiger Vertreter*innen dieser Community hervorgegangen und ist ihr bis heute besonders verbunden. Immer noch hat der überwiegende Teil der Vereinsmitglieder einen vietnamesischen Hintergrund.
Erste Jahre des Vereins – Bildung, Begegnung und Verständigung
In den ersten Jahren nach der Gründung setzte sich der Verein v.a. für die Belange der ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen ein. Unterstützung wurde bspw. in Form von Deutschkursen, von sozialer Beratung sowie von beruflichen Integrationsmaßnahmen geleistet. Aber auch für die Sicherung eines dauerhaften Aufenthalts der ehemaligen Vertragsarbeitnehmer*innen trat Diên Hông e.V. ein. Die vereinseigene vietnamesisch-deutsche Begegnungsstätte machte Angebote zum Erlernen der vietnamesischen Sprache für die zweite Generation, lud zu vietnamesischen Festen ein und war ein Ort für Begegnung und Austausch zwischen den ehemaligen Vertragsarbeiterinnen und anderen Rostockerinnen. Heute pflegen verschiedene Rostocker Gruppen, initiiert v.a. von ehemaligen Vertragsarbeiter*innen, die vietnamesische Kultur, gern auch in Zusammenarbeit mit Diên Hông e.V. Diese Gruppen machen den nach wie vor hohen Grad der Selbstorganisation in dieser migrantischen Community deutlich. Der Verein selbst lebt in seiner Bildungsarbeit auch weiterhin seine Verbindung zur vietnamesischen Kultur und arbeitet dabei mit der Community und mit dem Buddhistischen Zentrum in Rostock-Lichtenhagen zusammen.
Bildungsmaterial auf der Basis vietdeutscher Erfahrungen
Die Erfahrungen beider Generationen sind in vielfältiger Form anschaulich festgehalten, aufgearbeitet und stehen nun auf der Website https://bildung-lebenswege.de für die Nutzung in schulischen und außerschulischen Bildungsveranstaltungen bereit. Zudem sind auch Anregungen für die Nutzung der Materialien sowie weitere Informationen zum Projekt aufgeführt.
Folgende Produkte sind entstanden und stehen kostenlos zum Ausleihen oder Herunterladen zur Verfügung:
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Multimediabeiträge:
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Kurzfilm „Aus der Ferne“
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Audiobeiträge zur Perspektive der zweiten Generation sowie zum Austausch zwischen den Generationen
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Ausstellung: „Lebenswege – Vietnamesische Rostocker*innen erzählen“
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Unterrichtsmaterialien:
- „LebensLinien“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt, Biografien und Flusskarten)
Die Lernenden erarbeiten sich anhand von sechs Biografien die Lebenserfahrungen der ersten und zweiten Generation der vietdeutschen Community. Dabei werden die Lebensläufe als Flüsse visualisiert und in Form von aufeinanderfolgenden Flussabschnitten bildlich dargestellt. Anhand der Lebensläufe setzen sie sich mit Aspekten wie Rassismus und Alltagsrassismus, Beziehungen zwischen den Generationen, der Bedeutung von Bildung und den Erwartungshaltungen einer Migrant*innengruppe auseinander.
- „LebensLinien“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt, Biografien und Flusskarten)
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- „LebensFragen“ (bestehend aus Handreichung, Aufgabenblatt und Beobachtungsbogen)
In Rollenspielen oder beim Schreiben eines Drehbuchs veranschaulichen die Schüler*innen die Lebenswelten, Rollenerwartungen und alltäglichen Herausforderungen in Familien mit Migrationshintergrund.
- „LebensFragen“ (bestehend aus Handreichung, Aufgabenblatt und Beobachtungsbogen)
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- „LebensAufgaben“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt und Broschüre)
Im Mittelpunkt steht bei diesem Material die Frage, wie Integration erfolgreich gestaltet werden kann. Grundlage dafür bilden die Erfahrungen der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam, z.B. ihre Gründe, sich für diesen Weg zu entscheiden, und die Art, wie sie auf ihre Arbeit und ihr Leben in der DDR vorbereitet wurden. Das Arbeitsmaterial schlägt den Bogen in die heutige Zeit, indem die Lernenden sich mit dem heutigen Anwerbungsprozess von ausländischen Arbeitskräften beschäftigen.
- „LebensAufgaben“ (bestehend aus Handreichung, Arbeitsblatt und Broschüre)
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- „LebensIdentitäten“ (bestehend aus Handreichung und Arbeitsblatt)
Die Schülerinnen bzw. Teilnehmerinnen lernen das Konzept von Identität und Identitätszuschreibung kennen. Sie reflektieren die Auswirkung von Identitätszuschreibungen auf das Leben und die Persönlichkeit der Betroffenen. Zudem machen sie sich die Bedeutung der Begriffe Heimat und Identität aus ihrer eigenen Perspektive und vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen bewusst.
- „LebensIdentitäten“ (bestehend aus Handreichung und Arbeitsblatt)
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- Biografiekarten (je 3 Biografien der ersten und zweiten Generation)
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- Begriffskarten (Spielkartensatz mit zentralen Begriffen und Hintergrundinformationen)
- Glossar (mit zentralen Begriffen und Hintergrundinformationen)
Hier geht es zu den Materialien: https://bildung-lebenswege.de
Sichtbarkeit und Austausch statt Stereotypen
Unter vielen Deutschen gelten Vietnames*innen als gut integriert, strebsam und fleißig und somit als Vorzeigebeispiel für „gute Migrant*innen“. Dieses stereotype Bild lässt jedoch viele ihrer Erfahrungen, geprägt von immensen Herausforderungen, wie Arbeitslosigkeit, der Angst vor Abschiebung und rassistischen Übergriffen, aber auch von Durchhaltewillen sowie Hoffnung auf ein besseres Leben für die eigenen Kinder, unbeachtet. Die jüngeren Generationen sehen sich mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert, wenn sie im Alltag immer wieder vor Fragen von Zugehörigkeit und Identität stehen.
Der Verein Diên Hông e.V. möchte Menschen mit eigener Zuwanderungsgeschichte und den nachfolgenden Generationen eine Stimme geben, positive Beispiele von Migration in die Bildungsarbeit und in den öffentlichen Diskurs einbringen und damit Chancen und Potentiale von Migration sichtbar machen. Es lohnt sich, sich intensiv mit der Zuwanderung aus Vietnam nach Deutschland und den dazugehörenden postmigrantischen Aspekten zu befassen, um aus den jahrzehntelangen Erfahrungen zu lernen.